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Hannahs letzte 2 Monate

Es war Samstag, den 16.12.2006

Meine Eltern waren aus Aachen gekommen um auf Hannah (38 Monate alt) und Lilli (15 Monate alt) aufzupassen, da wir abends zur Weihnachtsfeier unseres Tanzsportvereins gehen wollten. Ilka sollte die gesamte Veranstaltung moderieren. Deshalb hatten wir an jenem Tag wenig Zeit uns um unsere beiden Kinder zu kümmern. Wir waren froh, dass Oma und Opa da waren und uns die Kinder abnahmen. Der Abend verlief noch ganz normal. Hannah fieberte ein wenig, aber mit Fiebersaft regulierte sich ihr Zustand sehr schnell wieder, war wieder gut drauf und lachte viel. Grippezeit halt. Zu dem Zeitpunkt waren einige in unserem Freundeskreis leicht erkältet. Somit machten wir uns keine Sorgen und fuhren abends fort. Gegen Mitternacht riefen Oma und Opa auf unserem Handy an und baten uns sofort zurück zu kommen, da Hannah nicht schlafen wollte, hoch fieberte und nicht zu beruhigen war. Wir ließen sofort alles stehen und fuhren, ohne uns zu verabschieden, nach Hause. Als Hannah uns sah beruhigte sie sich sehr schnell und ihr Fieber ließ ebenfalls sehr rasch nach. Wir waren beruhigt, holten aber Hannah zu ins Schlafzimmer und legten sie dort ins Reisebettchen. Die Nacht war ruhig, Hannah schlief ruhig und ohne Fieber. Am nächsten Tag war Hannah wieder gut drauf und lachte viel. Sie spielte noch mit Lilli, Mama, Papa, Opa und Oma. Wir hatten viel Spaß. Zum Abend hin wurde ihr Fieber wieder stärker und Hannah wurde zusehendst schwächer. Vorsichtshalber fuhren wir nach Bethel ins Krankenhaus, wo sie Hannah bereits sehr gut kannten. Ohne Blutuntersuchungen zu machen schickten sie uns wieder nach Hause mit Verdacht auf Magen/Darm, da es zur Zeit grassierte. (Hätte der Arzt eine Blutuntersuchung veranlasst, hätte er da schon hohe Infektionswerte gesehen und wir hätten sie direkt mit Antibiotika behandeln können / vielleicht hätte das ihr Leben gerettet,... vielleicht). Da Hannah wieder zu Kräften kam und wie gewohnt mit uns lachte waren wir beruhigt. Die Nacht war schrecklich. Hannah übergab sich mehrfach, fieberte hoch und hatte einen hohen Puls. Das Fieber ging schubweise mit Fiebersaft immer wieder zurück und da Hannah viel trank, machten wir uns noch relativ wenig Sorgen, da man sich bei Margen/Darm-Erkrankungen ja nun mal häufiger übergeben muss. (Schön blöd von uns)

Morgens ging es Hannah sehr schlecht und wir dachten: Kein Wunder, da sie ja keinen Schlaf bekommen hatte.

Sie war sehr schlapp und letargisch. Beim Wickeln sagte Hannah, dass ihr der Nacken weh täte. Ich wollte mit Hannah vorsorglich zum Kinderarzt. Wir machten uns große Sorgen, da Hannahs Zustand sich immer weiter verschlechterte. Ich fuhr los. Während der Fahrt versuchte ich immer wieder, Hannah am einschlafen zu hindern. Beim Arzt angekommen, machte er sofort eine Blutuntersuchung. Die Blutwerte waren so schlecht, dass er sofort sagte ich solle mit ihr ins Krankanhaus fahren. Hannah war schon nicht mehr ansprechbar. Ich bat um einen Notarztwagen, da ich mich sonst im Auto nicht um sie kümmern könne. Ich rief Ilka an und erzählte ihr schon unter Tränen, dass wir auf dem Weg ins Krankenhaus seien und dass es Hannah sehr schlecht ginge. Ilka fuhr sofort mit ihrem Vater nach Bethel. Magret, unsere Nachbarin und gute Freundin übernahm in der Zwischenzeit Lilli. Der Krankenwagen war innerhalb von 3 Minuten da. Ich fuhr hinten bei Hannah mit und hielt die ganze Zeit ihre Hand. Sie schlief, zuckte nur ab und zu hoch, wenn die Sirene des Krankenwagens an einer Kreuzung wieder anging. Nach ca. 30 Minuten waren wir im Kinderkrankenhaus in Bethel. Ilka war auch schon da. Hannah wurde direkt auf die Kinderintensivstation gebracht. Dort war Hannah schon seit Geburt durch diverse Shuntoperationen am Kopf und durch eine starke Lungenentzündung im Frühjahr 2006 bereits bekannt. Auf Station angekommen verkrampfte Hannah am ganzen Körper, sie zitterte und ihre Augen verdrehten sich. Die erste Diagnose hieß Hirndruck durch Shuntprobleme. Im CT wurde die Diagnose bestätigt und Hannah wurde direkt operiert. Der Neurochirurg (Arzt unseres Vertrauens), der Hannah bereits seit ihrer Geburt begleitet hatte, teilte uns anschließend mit, dass die Operation gut verlaufen sei und Hannah wohlbehalten wieder aufwachen würde. Der Shunt in ihrem Kopf sei von der vorgesehenen Stelle weggerutscht und deshalb hätte sie Hirndruck. Das sei aber alles korigiert und ohne Komplikationen von statten gegangen. Normalerweise war Hannah spätestens 1 Stunde nach der Operation wieder wach. Hannah hatte in den letzten 3 Jahren bereits 16 Kopfoperationen am Shunt hinter sich gebracht und alles im Nachhinein scheinbar problemlos weggesteckt. Wir waren immer so stolz auf unsere Hannah und die Ärzte und Schwestern staunten immer wieder aufs Neue, wie Hannah diese Operationen so wegstecken könnte.

Doch diesmal war alles anders.

Hannah erwachte nicht aus der Narkose. Die Ärzte beruhigten uns und sagten dass sie sich erst erholen müsste, da neben der Shuntproblematik auch eine hohe Infektion in den Blutwerten gefunden worden sei. Deshalb gaben sie Hannah auch noch prophelaktisch ein starkes Antibiotika. Hannah schlief, was ungewöhnlich war, aber wir dachten uns, dass sie ja auch in der Nacht vorher nicht geschlafen habe und sie deshalb ja zusätzlich stark erschöpft war. Wir fuhren auf Anraten der Ärzte nach Hause.

Da die Nacht von Hannah stabil verlief und die Schwestern uns am Telefon beruhigten, es sei vorerst alles in Ordnung, entschied ich mich normal zur Arbeit zu fahren. Ilka fuhr direkt zu Hannah, um bei Ihr zu sein, wenn sie aufwachen würde. Vormittags kamen die ersten Ergebnisse der Blutuntersuchungen vom Vortag. Diagnose – Hirnhautentzündung. Pneumokokken-Infektion. Diese Nachricht erschreckte uns zutiefst. Hannah war dagegen geimpft worden, wie konnte das sein? Aufgrund der Infektion im Kopf musste das am Vortag ausgewechselte Shuntventil komplett wieder ausgebaut werden. Zuerst muss die Infektion aus dem Körper, dann erst kann ein neues Shuntsystem eingebaut werden. Also, 2. Operation. Shunt raus, Aussendrainage. Operation gelang komplikationslos. Erst einmal Ruhe und hoffen. Außendrainage, nicht so schlimm, hatten wir alles schon einmal vor 2,5 Jahren hinter uns gebracht. Somit hatte Hannah ja gar keine Chance aus dem Koma aufzuwachen. Hannah kam aus der OP und normaler Weise konnte sie immer direkt kurz danach extubiert werden (also, sie konnte immer sofort wieder selber atmen – ohne Maschine). Diesmal klappte es nicht, der Eigenantrieb zu Atmen blieb aus. Nächste Schock – was war mit Hannah los? Sie hat doch sonst alles so stark und problemlos weggesteckt. Diesmal schien sie keine Kraft zu haben, da selber wieder raus zu kommen. Hannahs Vitalwerte wurden minütlich schlechter. Die Ärztin stellte eine Sepsis (Blutvergiftung) fest. Hannah bekam eine Bluttransfusion. Keine Veränderung, sie mussten um Hannahs Leben kämpfen, ständig bekam sie kreislaufstabilisierende Mittel. Erst nach mehreren Stunden stabilisierte sie sich wieder. In den nächsten Tagen zeigte uns Hannah, was eine echte Kämpferin ist. Sie kam zurück und nach und nach wurde Ihre Atmung besser. Am 24.12.2006 öffnete Hannah zu unser aller Freude das erste Mal wieder die Augen. Das war das schönste Weihnachtsgeschenk, dass wir je erhalten hatten. Ihr Zustand verbesserte sich danach stündlich. Am Dienstag nach Weihnachten sollte sie nun endlich wieder extubiert werden. Da sie stabil und problemlos mitatmete und so gut mitarbeitete, sagten die Ärzte, die Beatmung muss raus, sonst ist sie nur noch hinderlich für Hannah. Wir waren so glücklich, denn wir hatten schon Angst, dass sie nicht mehr von der Beatmung weg käme. Ich arbeitete, Ilka war bei Hannah. Dies war auch mein vorerst letzer Arbeitstag. Ilka rief mich panisch auf der Arbeit an und schrie nur ins Telefon: Komm schnell, Hannah stirbt!!! Ich ließ alles stehen und liegen und fuhr sofort in die Kinderklinik. Dort angekommen hatte sich Hannah wieder stabilisiert. Was war geschehen? – Hannah sollte extubiert werden und die Ärzte waren von ihr begeistert, wie schnell sie sich wieder gefangen und augenscheinlich erholt hatte. Die Beatmung wurde auf ein Minimum reduziert und Hannah atmete sehr schön selber. Hannah war aber sichtlich durch den Beatmungsschlauch gestört. Ihre Augen füllten sich immer wieder mit Tränen, als ob Hannah sagen wollte: Hilf mir doch! Ilka redete ihr gut zu, dass der Schlauch jetzt entfernt werden und dann alles wieder besser werden würde. Der Arzt griff zum Telefon, um nochmal kurz mit dem Neurochirogen Rücksprache zu halten, ob er Hannahs Entwicklung der letzten Tage genauso positiv deute um sie dann endgültig zu extubieren. In dem Moment, als er den Hörer in die Hand nahm, schrie Ilka nur: Was ist mit Hannah? Der Puls schoss nach oben, die Atmung setzte aus und binnen Sekunden wurde Hannah ganz blau. Hannah riss genau in dem Moment die Augen auf und schaute flehend mit panischem Blick. Der Arzt ließ sofort den Hörer fallen. Sie fingen sofort an, Hannah wie wild zu bebeuteln (manuell zu beatmen) da die Beatmungsmaschine nicht mehr ausreichte, obwohl sie sofort wieder auf volle Beatmung gestellt worden war. Es dauerte Minuten, bis sich Hannahs Zustand und Sauerstoffwerte wieder stabilisiert hatten.

Als ich dann endlich ankam, war Hannah mittlerweile zwar wieder stabil aber auch voll beatmet, denn sie atmete nicht mehr mit, völliger Atemstillstand. Keiner konnte sich erklären, was da gerade passiert war. Ab da begann das endlose Warten. Es vergingen Tage in den Hannahs Zustand sich von Tag zu Tag immer ein wenig verbesserte, aber nicht so stark, dass man wirklich einen positiven Trend erkennen konnte. Wir bekamen ständig unterschiedliche Antworten und Meinungen von den Ärzten. Die einen sagten, Hannah schafft es nicht mehr. Unser Neurochirurg wollte davon nichts wissen. Er kannte Hannah von allen Ärzten am Besten und machte uns immer wieder Mut, nicht an ihr zu zweifeln und an das Wunder von Hannah zu glauben. Wir glaubten ihm und sagten immer wieder zu Hannah, dass wir für sie da sind und sie lieben. Sie soll kämpfen, sie soll kämpfen.

Durch die starken Medikamente fingen jetzt der Magen und der Darm an zu streiken. Darmverschluss. Der Darm musste komplett entleert werden da zwischenzeitig schon Darm- und Mageninhalt aus Mund und Nase hervorquollen. Massagen, Einläufe und Abführmittel,... nichts half mehr. Hannah musste erneut operiert werden.

Eine Woche später sollte die Antibiotika-Therapie vorbei sein. Hannahs Zustand hatte sich nicht verbessert, aber auch nicht verschlechtert. Ein MRT wurde angesetzt um zu schauen, was in Hannahs Kopf vorging. Das Bild war eine Katastrophe. Der Stationskinderarzt bat uns zum Gespräch und sagte uns, dass Hannahs Zustand sich nicht mehr verbessern würde und dass wir überlegen sollten, ob Hannah so ein Leben gewollt hätte. Er riet uns, die Geräte abzuschalten. Wir wiesen das weit zurück und sagten immer wieder, dass Hannah das schaffen würde und dass wir so lange kämpfen würden, wie wir von Hannah zu spüren bekommen, dass sie auch noch will und kämpft, zu uns zurück zu kommen. Ihr klinischer Zustand zeigte eine stetig positive Entwicklung und zeigte nichts von den MRT-Verschlechterungen. Die Hirnhautentzündung hat sich mittlerweile zu einer Hirnentzündung ausgeweitet. Wie die MRT-Bilder zeigten, saß der Infektionsherd jetzt direkt am Atemzentrum des Kleinhirns wo keine Antibiotika mehr Wirkung zeigen könnten. Aber auch die Krankenschwestern bestätigten uns, dass noch Kraft in Hannah stecke und wir alle zusammen weiter kämpfen sollten. Sie machten sich für uns stark und bewirkten ein erneutes Arztgespräch mt dem leitenden Kinderarzt, dem Oberarzt und unserem Neurochirurgen. Auch der Neurochirurg wollte noch nicht aufgeben. Es wurden erneut mehrere Antibiotikas gleichzeitig ausprobiert um zu testen, auf welche sie reagiert. Sie gaben Hannah und den neuen Medikamenten eine Woche Zeit. Eigentlich sei jedes andere Kind bereits gestorben oder wieder gesund. Aber genau diese Aussagen zeigten uns, dass Hannah kämpfte. Wir waren rund um die Uhr bei ihr und versuchten ihr alle Liebe der Welt zu geben und ihr Kraft zu schenken. Ihr Zustand verbesserte sich allerdings nicht. Nach einer Woche drängte der Kinderarzt darauf ein weiteres MRT zu machen, aber der Neurochirurg bestand darauf, Hannah noch Zeit zu geben, damit die Medikamente, wenn sie an den Infektionsherd kommen, auch wirken könnten. Nach insgesamt drei Wochen, in denen Hannahs Zustand sich nicht wesentlich verbessert hat, wurde ein nächstes MRT gemacht um zu schauen, wie die Infektion am Atemzentrum sich entwickelt hatte. Der Neurochirurg kam aus der Untersuchung und teilte uns mit, dass die Bilder sich wesentlich verbessert hätten. Wir lachten und fielen uns in die Arme vor Freude. Wir wussten, dass Hannah es schaffen würde. Auf der Intensivstation wieder angekommen holte uns der Stationsarzt zu sich und erzählte uns, dass die Bilder zwar besser wären, aber dass das genau das Problem sei. Umgekehrte Vorzeichen als vorher. Gutes MRT-Bild – trotzdem schlechtes klinisches Bild. Ihr Zustand hätte sich nicht verändert und genau das wäre ein Zeichen dafür, dass Hannah wohl nie wieder aufwachen würde. Wachkoma war die Diagnose, ohne Chance auf Rückkehr und wohl auch keine Chance auf einen eigenen Atmenantrieb. Wir fielen aus allen Wolken.

Wir waren verzweifelt und weinten minutenlang an Hannahs Bett. Wir wollten es nicht wahr haben.

Uns war aber klar, dass wir nicht aufgeben werden. In mehreren Gesprächen mit den verschiedensten Ärzten beschlossen wir solange zu kämpfen, bis wir sie, egal ob Wachkoma oder nicht, mit nach Hause nehmen könnten. Wir waren fest davon überzeugt, dass wir Hannah mit viel Liebe, Therapie und Geduld wieder wach bekommen, wenn sie nur erstmal wieder bei uns zu Hause wäre. Egal, auch wenn es Jahre daueren würde. Wir waren fest entschlossen alles dafür zu tun. Wir redeten mit ihr, sangen für sie, streichelten sie und lasen aus Büchern für sie vor. Dann wurden die evoziierten Potenziale gemessen. Damit findet man heraus, wie die Hirnströme von den Augen und von den Ohren zum Gehirn sind. Dabei stellte sich heraus, dass Hannah gegenwärtig taub war. Wir waren sprachlos. Sollte nichts von dem, was wir Hannah für Liebesbekundigungen gaben, für sie lasen, mit ihr sprachen von ihr bemerkt worden sein? Wir hatten Angst, dass Hannah uns gar nicht mehr wahrnehmen konnte und sie somit die ganze Zeit das Gefühl gehabt haben müsste, von uns alleine gelassen worden zu sein, weil sie uns ja nicht hören konnte. Wir beschlossen trotzdem so weiter zu machen, weil wir einfach fest davon überzeugt waren, dass Hannah alles mitbekam und unsere Anwesenheit und Liebe spüren konnte. Wir konzentrierten uns noch mehr auf visuelle Reize, hängten ein Winnie Pooh – Poster über ihrem Bett auf und Sterne, die im Dunklen leuchten. Wir massierten und berührten sie mehr denn je, um ihr noch mehr Reize zu bieten und uns wahrzunehmen.

Zwischendurch gab es immer wieder Tage, an denen Hannahs Zustand sich rapide verbesserte. Sie fing wieder an zu atmen, so dass die Maschinen reduziert werden mussten. An einigen Tagen konnte zwischendurch sogar ganz abgeschaltet werden. Die Ärzte waren immer wieder sprachlos über Hannah. Sie beschlossen bei Hannah ein Trachiostoma einzusetzen (Der Beatmungstubus wird durch einen Luftröhrenschnitt direkt in den Hals und nicht mehr durch die Nase geführt). Das soll das Atmen für Hannah erleichtern. Ohne Komplikationen überstand Hannah die Operation. Unser Neurochirurg sagte uns, er hoffe, dass, wenn Hannah wieder selber atmen könne, sie dann auch wieder aufwachen würde. Mit viel Arbeit und Liebe könnten wir sie dann auch wieder "gesund" bekommen. Mittlerweile war er allerdings der einzige Arzt, der daran glaubte. Ich fragte ihn: "Worauf begründen sie ihre Hoffnung?" Er sagte nur, er vertraue Hannahs Kraft und Lebenswille und er hoffe auf Gott.

So richtig konnte mich diese Aussage nicht glücklich machen, da medikamentös somit nichts mehr gemacht werden konnte.

Wir beteten jeden Tag – eigentlich schon seit dem ersten Tage. Das einzige, was uns jetzt noch geblieben war.

Und,... unglaublich,...Hannah fing wieder an zu atmen. Mit dem Trachiostoma konnte sie so gut atmen, dass sie sogar mit einer „feuchten Nase“ ganz selber atmen konnte – mehrere Stunden lang, ohne Maschine. Wir schöpften enorme Hoffnung, dass alles wieder gut werden würde. Wir fingen an den Umbau des Hauses zu planen und führten erste Gespräche für eine 24 Stundenpflege, um alles für Hannahs Heimkehr zu organisieren.

Hauptsache endlich wieder zu Hause. Wir könnten dauerhaft bei ihr sein. Lilli könnte dauerhaft bei ihr sein, ihre und unsere Freunde könnten häufiger kommen um bei Hannah zu sein. Wir waren uns sicher, dass wir es Hannah bei uns richtig „schön“ machen könnten. Tage vergingen in denen Hannah sehr gut selber atmete und dann auch wieder Tage, in denen sie gar nicht selber atmete. Ständiges auf und ab der Gefühle, immer zwischen Hoffen und Bangen.

Hannah behielt die Sondennahrung nicht mehr in sich, immer wieder kam Mageninhalt und -säure aus der Nase. Wir kamen um eine PEG (Magensonde direkt durch die Bauchdecke) nicht herum. Auch hier verlief die OP problemlos. Hannah hatte wahnsinniges Heilfleisch. Obwohl sie teilweise schon mehrfach an der selben Stelle aufgeschnitten wurde verheilten ihre Wunden immer wieder sehr gut. (Wenigstens damit keine Komplikationen). Die PEG brachte nicht wirklich etwas. Immer wieder kam Magenflüssigkeit aus Nase und Mund. Die Ärzte wussten sich auch keinen Rat mehr. Mehr als immer wieder absaugen und säubern blieb uns nicht. Erst nach ein paar Tagen gewöhnte sich Hannah wohl daran und sie konnte wieder Nahrung durch die Sonde so aufnehemn, dass sie sogar wieder ein bißchen zunahm.

Ein weiteres MRT wurde gemacht um zu schauen, wie ihr Zustand war. Die Bilder waren wieder besser. Unglaublich. Unser Neurochirurg sagte uns, dass er fest glaubt, dass Hannah es schaffen könnte, wir müssten Geduld haben und weiter hoffen. 

Genau in der Nacht geschah die Katastrophe. Hannah bekam über Nacht mehrere kleine Hirninfarkte, so dass sich ihr Zustand dramatisch verschlechterte und von ihr gar kei*ne Lebenszeichen -(wie Liedschlag oder Fingerbewegungen) mehr kamen. Wieder ein Arztgespräch – man sagte uns, dass Hannah sich von den Infarkten maximal noch ein wenig erholen könnte, aber sie jetzt definitiv nicht mehr aus dem Wachkoma erwachen könnte. Er riet uns abzuschalten.

Wir streubten uns. Der Arzt sagte: "Eine Woche geben wir ihr noch Zeit sich zu erholen. Danach sei definitiv nichts mehr zu machen." Und wir sollten uns auch darauf gefasst machen, dass uns Hannah die Entscheidung nicht mehr abnehmen könnte – "Hannah hat den Zeitpunkt verpasst um selber gehen zu können." Einen Hirntod würde uns Hannah in dem Zustand nicht mehr geben können. Wir müssten irgendwann für sie entscheiden.

Es kann sich keiner vorstellen, was das für Eltern bedeutet darüber nachdenken zu müssen.

Hannah zeigte keinerlei Regungen mehr. Der Tag, an dem die Ärzte jetzt eine Entscheidung von uns haben wollten rückte immer näher. Hannah schwoll auf einmal im Gesicht zu, zum Schluss konnte man Hannah gar nicht mehr erkennen, das ganze Gesicht war zugeschwollen.

In der Nacht vom 19.02. auf den 20.02. blieb ich nachts bei Hannah. In der Nacht (ich wusste nicht, wie mir geschah) drückte Hannah mehrfach meine Hand, die ich die gesamte Nacht über festhielt. Erst gegen Morgen schlief ich ein. Kurze Zeit später kamen die Schwestern auf unser Zimmer und ich wurde wach. Ich erschrak beim Anblick meiner Tochter. Hannah war komplett abgeschwollen und sah wieder wie unsere süße Hannah aus. Ihre Augen waren offen – sie starrte allerdings starr an die Decke. Die Schwestern konnten sich das nicht erklären.

Einige Minuten später kam Ilka, die wegen Lilli zu Hause übernachtet hatte.

Ilka kam ins Zimmer und sagte nur: Wo ist unsere Hannah. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie nicht mehr im Raum sei. Für den Tag war noch mal eine EEG angesetzt worden. Das Warten auf das Ergebnis war zermürbend.

Endlich kam die Ärztin auf uns zu. Sie sagte zu uns, dass Hannah hirntot sei. Wir liefen zu ihr ans Bett, weinten und brachen beide zusammen.

Ilka begann sich Vorwürfe zu machen, dass sie nicht in den letzten Stunden bei ihr gewesen war – war aber gleichzeitig glücklich, dass ich die Nacht bei Hannah war und ihre Hand gehalten hatte.

Hatte sie sich von mir verabschiedet? Das Händedrücken war zumindest ihr letztes Lebenszeichen.

Die Schwestern räumten das Zimmer und fragten uns, ob wir sie nochmal auf dem Arm halten wollten. Natürlich.

Ich setzte mich neben ihr Bett und die Schwester legte mir Hannah auf meinen Schoß.

In dem Moment, als sich Ilka über sie beugte öffneten sich nochmal für 20 Sekunden Hannahs Augen,...viel verwunderlicher war allerdings, dass sie während sie Mama anschaute auch ein paar Atmenzüge machte, was man ja auf der Beatmungsmaschine erkenne konnte. Wir riefen nach den Schwestern. Auch hier waren alle wieder fassungslos. Dann schlossen sich Hannahs Augen und sie hörte endgültig auf zu atmen.

Hannah hatte sich wohl auch noch mal damit von ihrer Mama verabschiedet. Ilka war dankbar für diesen Moment.

Ab da gingen Hannahs Vitalwerte langsam aber kontinuierlich runter. Der Puls wurde immer langsamer. Unsere Pastorin kam und wir beteten alle zusammen an Hannahs Bett. Danach wuschen wir Hannah und zogen ihr ihre Lieblingshose und ihr Lieblings-T-shirt an. Kurz darauf kam der Neurochirurg und der Oberarzt. Sie schickte uns aus dem Zimmer. Hannah wurde ein letztes Mal untersucht. Mit Schmerzreizen versuchten die Beiden Hannah noch zu irgendwelchen Reaktionen zu bewegen. Nichts geschah mehr. Die Ärzte kamen zu uns und sagten, dass Hannah nicht mehr in Ihrem Körper sei. Unser Neurochirurg, der Hannah und uns jetzt 3,5 Jahre intensiv begleitet hatte, verabschiedete sich von uns unter Tränen. Hannahs Puls wurde immer flacher. Wir baten darum, Hannah nocheinmal schmerzlindernde Mittel zu geben. Wir wollten sicher gehen, dass Hannah keine Schmerzen erleiden muss.

Die letzten Minuten gehörten uns mit Hannah ganz alleine.

Hannah starb in Ilkas und meinen Armen, ganz friedlich, ohne Schmerzen.

Sie lächelte irgendwie sogar ein wenig.
 

 

Wenn wir Dir auch die Ruhe gönnen,
ist doch voll Trauer unser Herz,
Dich leiden sehen und nicht helfen können,
das war für uns der grösste Schmerz
 

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