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Hannahs Weg zu den Sternen

Wenn Du bei Nacht den Himmel anschaust,
wird es sein, als lachten die Sterne,
weil ich auf einem von ihnen lache.
Du allein wirst Sterne haben, die lachen können.

Trauerfeier für

Hannah Rabea Reißer

am

26.02.2007

Liebe Ilka, lieber Jens. Liebe Angehörige und Freunde,

vor fast drei Jahren haben wir Hannah getauft. Nur für diesen Tag hatte sie Urlaub aus dem Krankenhaus bekommen. Auch an diesem Tag war ihr Leben in Gefahr. Aber in meiner Erinnerung spielte das trotzdem eigentlich keine Rolle. Wir waren froh, dass sie da war, dass sie bei uns sein konnte. Sie hatte ein wunderschönes Kleid an und wir haben ihr lauter rote Herzen um das Taufbecken gelegt als Zeichen für unsere Liebe.

Ihr Taufspruch war kein Spruch für Angsthasen. Er sollte schon ausdrücken, was sie in ihrem Leben brauchen würde. 2.Tim.1,7: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Nicht Angst und Furcht sollten ihr Leben beherrschen. Nicht die Behinderung, nicht die vielen Operationen, nicht die Schmerzen. Das alles sollte nicht entscheidend sein in Hannahs Leben. Die Behinderung war zwar ein Teil ihres Lebens, aber sie sollte trotzdem keine Macht haben über sie. Wir haben uns gewünscht, dass Gott ihr Kraft gibt, Liebe und Besonnenheit. Gottes Geist sollte dieses Kind begleiten. Er sollte ihr helfen, nicht ängstlich zu sein, sondern kräftig, voll Liebe und Klugheit.

Und ich glaube wirklich, dass Gottes Geist mit diesem Kind gewesen ist und auch mit euch Eltern und Großeltern. Da war ganz viel Kraft, Liebe und Besonnenheit in den letzten dreieinhalb Jahren. In ihr selbst war so viel Lebenswille, eine unglaubliche Stärke für so ein kleines Kind. Aber diese Kraft war auch bei euch Angehörigen und besonders bei Hannahs Ärzten und Schwestern. Mit so viel unermüdlicher Liebe habt ihr um Hannahs Leben gekämpft. Alles Menschenmögliche habt ihr für sie getan. Und als das menschliche Können und Wissen an seine Grenzen stieß, habt ihr immer noch auf ein Wunder gehofft.

Mit eurer Unterstützung hat Hannah sich ganz wunderbar entwickelt, vielleicht sogar besser als ihr selbst es erwartet hättet. Sie war Lillis große Schwester, sie war Leas beste Freundin, sie kannte alle Farben und versuchte, sich vor dem Aufräumen zu drücken. Sie fegte mit dem Rolli durch die Räume. Sie konnte bockig sein und lustig. Sie liebte Musik und die Sterne. Sie liebte ihre Familie und den Kindergarten. Sie lebte so gerne.

Dreieinhalb Jahre durfte sie bei uns sein. Dreieinhalb Jahre durften wir sie begleiten. Sie hat ihre Familie glücklich gemacht, sie hat unsere Gemeinde und auch den Kindergarten bereichert. Wir dachten, wir könnten Zukunft planen. Ihr wolltet doch nur eine ganz normale Familie sein. Aber sie ist uns genommen worden. Unbegreiflich ist es, warum Ihr Eltern sie hergeben musstet.

Es bleibt unbegreiflich, warum wir sie nur so kurze Zeit haben durften. Warum ein ganzes Leben in nur dreieinhalb Jahren gelebt werden musste.

Heute sind wir es, die den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit brauchen. Denn in uns ist nur Trauer und Verzweiflung, Verlassenheit und Sehnsucht. Der Mittelpunkt eures Lebens ist euch genommen worden und es bleibt nur Leere und Erschöpfung. Eure Verbindung war so innig und so intensiv. Wie soll es weitergehen ohne sie? Sie fehlt doch so sehr.

Niemand weiß, warum ihr durch diese Dunkelheit geführt werdet, warum Hannah durch dieses dunkle Tal gehen musste. Niemand weiß, warum Gebete nicht erhört wurden. Vielleicht werden wir es nie verstehen. Vielleicht wird uns irgendwann einmal klar werden, warum dieses besondere Kind diesen eigenen Weg gehen musste.

Ich habe in den letzten Tagen immer wieder an die Geschichte von dem 12-jährigen Jesus denken müssen. Er war als Kind einmal ein paar Tage verschwunden und seine Eltern suchten ihn verzweifelt. "Warum hast du uns das angetan?" fragten sie ihn, als sie ihn endlich im Tempel gefunden hatten. Und Jesus sagte nur: "Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?"

Vielleicht musste auch Hannah zurück in das Haus ihres Vaters. Vielleicht hat er sie gerufen, weil sie ein Mensch war, der seine Aufgabe hier früh erfüllt hat. In der wenigen Zeit, die es hatte, konnte dieses Kind so viele Menschen erreichen, berühren und verändern. Jeder konnte sehen, wie lebenswert ein Leben auch mit einer Behinderung ist. Es war so deutlich sichtbar, dass auch ein krankes Kind seine Familie unendlich glücklich machen kann.

Ich denke, dass es immer wieder solche Menschen gibt, die eine besondere Aufgabe haben. Das sind Menschen, die uns im Nachhinein wie Engel erscheinen, wie Boten Gottes, die uns etwas Besonderes, etwas Wichtiges mitzuteilen haben. Sie haben ein Leben, das wir nie vergessen.

Ganz sicher bin ich und darauf vertraue ich mit meinem ganzen Leben, dass Hannah, als sie eure Hand los ließ Gottes Hand ergriffen hat. Mit den Augen konnte sie von euch Abschied nehmen und sah schon Gottes Licht, sie spürte seine Liebe und seine Wärme. Wir können sie nicht mehr umarmen. Aber sie ist jetzt frei. Und ich wünsche so sehr, dass sie jetzt tanzen kann.

Ihr Angehörigen und Freunde seid es, die jetzt Kraft brauchen, ihr braucht jetzt Liebe, die euch hält und trägt und weiterleben lässt. Hannah hat so viel Liebe in euer Leben gebracht, die nicht verloren ist. Ihr dürft jetzt nicht verzweifeln, sondern Hannahs Liebe in euch lebendig bleiben und wachsen lassen. Erinnert euch an ihren Mut, ihre Liebe, ihre Fröhlichkeit und an ihr Lachen.

Bestimmt wird es immer wieder Zeiten geben, wo ihr klagt: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Aber immer wieder werdet ihr erleben, dass Gott euch neue Kraft gibt. Auch in der allertiefsten Dunkelheit.

Jesus ist den Tod gestorben, den euer Kind sterben musste. Und manchmal denke ich. Er stirbt mit jedem gequälten Kind, mit jedem Kind, das auf dieser Welt leidet. Aber Gott hat seinen Sohn nicht im Tod gelassen, sondern hat ihn auferweckt. Und ich glaube daran, dass auch Hannah jetzt in Gottes Liebe lebt.

Amen

Liturgie 

Liebe Ilka, lieber Jens, liebe Lilli, liebe Verwandte und Freunde,

hier sein zu müssen zerreißt das Herz. Zwar haben wir immer wieder mit der Angst leben müssen, dass dieser Abschied kommen könnte, aber trotzdem war unsere Hoffnung größer als die Angst. Immer war da das Vertrauen auf Hannahs großes Kämpferherz. Von Anfang an war sie doch so stark gewesen, so voller Mut, Freude und Lust am Leben. So unermüdlich und erfinderisch war die Liebe ihrer Eltern, die Hilfe ihrer Ärzte und der Schwestern. Es zerreist das Herz, dass wir Hannah verloren haben. Aber ein tiefer großer Schmerz ist auch die Frage nach Gott.

Da ist - auch bei mir - Bitterkeit, Verzweiflung, Zorn. Warum musste Hannah diesen schweren Weg gehen? Warum durfte sie nicht bei uns bleiben? Ich wollte an ihrem Bett das "Vater unser" sprechen, aber bei der Bitte "Dein Wille geschehe" da ging es nicht mehr weiter. So groß ist das WARUM und es gibt keine Antwort. Um uns herum ist ganz viel Dunkelheit, Trauer und Verzweiflung. Und es ist so schwer, Gottes liebende Hand zu sehen, wenn die Augen voller Tränen sind.

Es ist nur ein ganz kleiner Stern, der heute leuchtet. Hannah glaubte an Gott. Als halbe Rheinländerin meinte sie zwar, dass er im Kölner Dom wohnt, aber er war auch in ihrem Leben gegenwärtig. Sie wusste, dass er sie liebt. Und sie konnte mit ihm ihren Weg gehen. Sie konnte die Hand ihrer Eltern ganz sanft loslassen und ihren Weg weiter gehen an Gottes Hand.

Wir wollen auch heute in dieser Abschiedsstunde im Namen Gottes zusammen sein. Im Namen Gottes, des Vaters, der uns liebt, im Namen des Sohnes, der uns kennt und im Namen des Heiligen Geistes, der uns umgibt.

Gott schenke uns Licht in der Dunkelheit der Trauer und Hoffnung auf ein ewiges Leben in seinem Frieden.

Musik    Du bist Du

 

Gebet

Unbegreiflicher Gott, so viele Tränen haben wir geweint und wir können gar nicht aufhören zu weinen. Sammle du unsere Tränen in deinem Krug. Du hast gesagt, Gott, du willst denen nahe sein, die zerbrochenen Herzens sind, du willst den glimmenden Docht nicht verlöschen und das geknickte Schilfrohr nicht zertreten.

Im Vertrauen auf deine Worte kommen wir zu dir. Traurig und bedrückt, verstört und verzweifelt. Viel zu früh musste Hannah von uns gehen und niemand kann uns sagen, warum und wozu das gut sein sollte. Wir wissen sie geborgen bei dir. Aber sie fehlt uns so sehr. Wir sehnen uns nach ihr und wissen doch, dass wir sie in dieser Zeit nicht mehr sehen werden. Wir müssen sie ihren Weg alleine gehen lassen, aber wir hoffen und vertrauen, dass ihr Weg sie geführt hat in deine Liebe und in dein Licht.

Du unbegreiflicher Gott. Wir klagen dir unsere Verzweiflung. Du hast uns Hannah genommen. Es fällt uns so schwer, uns in deinen Willen zu fügen. Es fällt uns schwer zu sprechen: dein Wille geschehe.

Hilf uns, dass wir trotzdem auf dich vertrauen können, auch wenn wir dich nicht verstehen. Lass Hannah jetzt bei dir sein in deinem Licht - frei und fröhlich. Herr, Gott, verlass uns nicht.

Amen

Lesung

Hannah war nicht der kleine Prinz, aber sie war ein kleines Mädchen, das es liebte, auf dem Arm seines Vaters den Sternenhimmel zu sehen. Vielleicht können die Abschiedsworte des kleinen Prinzen an seinen Freund heute uns ein wenig trösten:

"Der kleine Prinz lachte wieder. Wenn du dich getröstet hast (man tröstet sich immer), wirst du froh sein, mich gekannt zu haben. Du wirst immer mein Freund sein. Du wirst Lust haben, mit mir zu lachen. Und du wirst manchmal dein Fenster öffnen, gerade so zum Vergnügen...

Und Deine Freunde werden sehr erstaunt sein, wenn sie sehen, dass du den Himmel anblickst und lachst. Dann wirst du ihnen sagen: Ja, die Sterne, die bringen mich zum Lachen. Du verstehst. Der Weg zu den Sternen ist zu weit. Ich kann diesen Leib da nicht mitnehmen, er ist zu schwer. Er wird da liegen wie eine alte verlassene Hülle. Man soll nicht traurig sein um solche alten Hüllen.

Wenn Du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du alleine wirst Sterne haben, die lachen können.

Im Matthäusevangelium steht:

Freuen dürfen sich alle, die nur von Gott etwas erwarten und nichts von sich selbst, denn sie werden mit ihm in der neuen Welt leben. Freuen dürfen sich alle, die unter der Not der Welt leiden, denn Gott wird ihnen ihre Last abnehmen. Freuen dürfen sich alle, die barmherzig sind, denn Gott wird auch mit ihnen barmherzig sein. Freuen dürfen sich alle, die Frieden schaffen, denn sie werden Gottes Kinder sein. Freuen dürfen sich alle, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott sehen.

Musik    Das Dunkel und ich

Ansprache Taufspruch: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. 2. Tim. 1,7

Musik    Mich ruft mein Stern

Gebet

Lieber Vater im Himmel, wir trauern, weil wir Hannah verloren haben. Wir trauern, weil wir nur so kurze Zeit mit ihr zusammen sein durften. So vielen Menschen hat die Begegnung mit diesem starken Kind Kraft und Mut gegeben. Noch im Sterben hat sie uns gezeigt, dass wir keine Angst zu haben brauchen vor diesem Weg.

Schwer ist der Verlust für Ilka und Jens, für ihre Schwester Lilli, die gerade gelernt hat, "Hannah" zu sagen. Der ganzen Familie fehlt der Mittelpunkt. Da bleibt so viel Sehnsucht, da ist so viel Verlassenheit.

Und doch müssen wir den Tod akzeptieren. Wir müssen akzeptieren, dass wir auf Wege geführt werden, die ganz anders sind als unsere Hoffnungen und Wünsche.

Ich bitte dich, schenke du uns allen, dass wir nicht bitter werden über den Verlust, sondern dass wir in aller Trauer dankbar sein können, dass wir Zeit mit Hannah erleben durften. Dass wir von diesem Kind lernen konnten, wie lebenswert ein Leben auch mit einer Behinderung ist, dass wir lernen konnten wie viel möglich ist, wenn Familie und Freunde füreinander da sind.

Die Trauer und die Dankbarkeit bringen wir vor Dich. Wir legen sie in deine Hände. Wir bitten dich, sei du bei allen, die Hannah geliebt haben. Sei du ihren Eltern und ihrer Schwester nahe, wenn die Sehnsucht nach Hannah so schrecklich groß ist. Sei du bei ihren Großeltern und allen Verwandten, tröste ihre Freundin Lea und uns alle, damit wir nie vergessen, dass wir einen ganz besondern Menschen ein Stück begleiten, aber nicht behalten durften.

Tröste die Ärzte und Schwestern, die mit all ihrem Können und so viel Liebe gekämpft haben um Hannahs Leben. Auch sie brauchen Kraft, um den Tod zu akzeptieren, wenn ihre Möglichkeiten zu Ende sind. Gib du, dass die Liebe, mit der Hannah geliebt hat und geliebt wurde, weiter lebt.

Hilf uns glauben, dass in Jesus Christus der Tod seine Macht verloren hat und wir, und die, die uns vorausgegangen sind, in Gottes Liebe geborgen sind und bleiben.

Amen

Musik    You`ll be in my heart

Segen

Der Herr segne unseren Ausgang und unseren Eingang von nun an bis in Ewigkeit.

Wir müssen Hannahs Körper zu ihrer Ruhestätte bringen ganz nah bei ihrer Oma Brigitte und ihren Urgroßeltern.

Musik am Grab    Weißt du, wieviel Sternlein stehen

 

Es waren über 300 Freunde und Bekannte da, die Hannah auf Ihrem letzten Weg zu Ihrem Stern begleitet haben.

Hannah, mögest Du all die Liebe, die an diesem Tage nochmal zu Dir geschickt worden ist, mitgenommen haben auf Deine Reise ins Licht.
Wir werden Dich nie vergessen und immer lieben.

Und Deine Freunde auch !!!

   

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